5 — Galileis Erraten des Fernrohrs und die köstlichen Entdeckungen durch dasselbe
Seit frühester Jugend hatte Galilei das System von Philolaos und Kopernikus angenommen, dass die Erde sich bewege, und schrieb bereits in diesem Sinn 1597 an Keppler, der ihn ermunterte seine Ansichten von der Bewegung der Erde in Deutschland veröffentlichen zu wollen.
Allein Galilei bebte vor diesem Schritt zurück, aus Furcht, wie Kopernikus sich dem Spott auszusetzen.
Indessen kam eine Zeit, wo er seinen Lehrsatz von der Bewegung der Erde mit gewichtigen Gründen belegen konnte.
Nachdem er sich 1609 mit den verschiedensten Arbeiten beschäftigt und unter Anderem auch interessante Beobachtungen mit dem Magnet angestellt hatte, welche die Aufmerksamkeit eines Leibnitz erregten, drang plötzlich das Gerücht nach Venetien, dass ein Handwerker aus Flandern dem Grafen Moritz von Nassau ein Instrument überreicht habe, durch das entfernte Gegenstände sich darstellten, als ob sie ganz nah seien. Man fügte jedoch nichts über den Bau dieses Werkzeugs der Botschaft bei.
Auf einer Reise nach Venedig erfuhr Galilei von diesem Ereignis, welches ihm durch einen Brief aus Paris bestätigt wurde.
Nach Padua zurückgekehrt, brachte er eine ganze Nacht damit zu, über dies Werkzeug nachzudenken, und am anderen Morgen war das Fernrohr — Teleskop — gefertigt, das bis heute seinen Namen trägt.
Dieses Werkzeug, von so unendlicher Tragweite, hatte er erraten, und so wurde es durch seinen Genius wiedergeboren und der Welt geschenkt, während es in der Hand des unbedeutenden Handwerkers in Holland noch viele Jahre geschlummert und die schönen Entdeckungen ungeschehen gemacht hätte.
Galilei vervollkommnete bald das Fernrohr bis zur zweitausendfachen Annäherung.
Die Venetianer nahmen sein neues Meisterwerk mit Begeisterung und allgemeiner Teilnahme auf. Sie knüpften an dasselbe die bedeutendsten Hoffnungen, indem sie fortan aus weiter Ferne ihre Feinde beobachten und vermeiden konnten, und ernannten zum Zeichen ihrer Anerkennung Galilei zum lebenslänglichen Professor mit einem Gehalt von tausend Gulden.
Es mag eine lustige Zeit gewesen sein, als die Türme und Gebäude in Venedig besetzt waren, welche die Schiffe auf dem atlantischen Ozean durch Fernrohre betrachteten. [Venedig liegt natürlich am Mittelmeer]Die Geschichte von dem Erraten und Zusammenstellen dieses wunderbaren Werkzeugs hatte Galilei selbst erzählt, er maß sich jedoch niemals bei, der Erfinder desselben zu sein. Der Handwerker des Grafen von Nassau war bald vergessen, aber von allen Enden der Welt kamen Bestellungen an Galilei, Teleskope anzufertigen. Indes hatte es sich auch erwiesen, dass des Holländers Fernrohr kaum fünfmal vergrößerte, und man noch 1637 nicht im Stande war, in Holland Gläser zu konstruieren, geeignet, die Trabanten des Jupiters zu betrachten, die doch so leicht zu sehen waren.
Das Wunderbare und Göttliche dieser Erfindung ist eben, dass sie — zufällig von unbedeutender Hand entdeckt — zugleich dem größten Mathematiker und Astronomen seiner Zeit offenbart wurde, damit dieser das bewaffnete Auge zum ersten Mal gen Himmel richten könne, vor den Augen der Mit- und Nachwelt die alten Vorurteile als solche enthülle, eine neue Welt- und Religionsanschauung vorbereitete, die Lehre von der Bewegung der Erde bekräftigte und seinen Blick die unendlichen Räume des Himmels durchmessen lasse! Wie musste sich die Seele des großen Mannes erweitert und gehoben fühlen, als er die herrliche Entdeckung machte, dass der Mensch mit seinem wirklichen Auge die Grenzen überflügeln könne, die ihn vom Himmel trennten. Es war ein ebenso naheliegender, als göttlicher Gedanke, das fernrohr sofort nach den Sternen zu richten, Hatte man doch bis dahin gemeint, dass der Himmel ganz eigentümliche Erscheinungen biete und dass durch seinen Bau und die Entfernung die Sterne für den Sterblichen ewig unerreichbar seien.
Galilei hatte sein erstes Fernrohr im Mai 1609 gebaut; er bedurfte einiger Zeit, es zu verbessern, und dennoch war sein Eifer so groß, das er bereits sechs Monate später ein Buch herausgab, das die schönsten Entdeckungen am Sternenhimmel enthielt.
Sein Teleskop zuerst nach dem Mond richtend, entdeckte er auf ihm Berge von größerer Erhebung als die Berge der Erde, so wie ansehnliche Höhlen und Unebenheiten. Indes ließ er sich von dieser ähnlichen Oberfläche des Mondes mit der Erde nicht hinreißen, vorauszusetzen, dass auf demselben, dem Menschen ähnliche Wesen leben könnten, denn da derselbe auf jedem Punkt seiner Oberfläche 14 Tage von der Sonne beleuchtet wird, und 14 Tage von Nacht umhüllt bleibt, so würde es sein, den Erdbewohnern ähnlich, organisches Wesen auf demselben aushalten können.
Diese ersten Bemerkungen Galileis wurden von mehreren Professoren und den Jesuiten angegriffen, die sie jedoch gar nicht verstanden.
Diese Gegnerschaft der Altgläubigen jedoch regte den großen Astronomen nur noch mehr zu eifrigen Forschungen an, und dreißig Jahre hindurch blieb der Mond ihm Gegenstand der interessantesten Studien. Diesen Entdeckungen über den Mond fügte er bald noch wichtigere bei, so zum Beispiel, dass die Milchstraße eine Zusammenhäufung kleiner Sterne sei und dass die Fixsterne nie vergrößert erscheinen.
Den 7. Januar 1610 entdeckte er drei Trabanten des Jupiters, sechs Tage danach den vierte.. Bald stellte er den Planetenlauf fest, sowie die Umwälzungen dieser Jupiter-Satelliten, und wandte die Verdunkelung dieser Sterne zur Untersuchung der geometrischen Längen im Ozean an, eine für die Schifffahrt höchst wichtige Arbeit, da die Verdunkelung der Sterne bereits lange Zeit die Weisen beschäftigt hatte, ohne dass eine Aufklärung gefunden worden wäre.
Obgleich Galilei so wenig Grund hatte, dem Großherzog von Toskana sich dankbar zu beweisen, wollte er aus Anhänglichkeit an seine Heimat die Familie der Medici unsterblich machen, und nannte die Satelliten des Jupiters die medizäischen Sterne
Nach den Veröffentlichungen eines Buches, das all diese unerwarteten Entdeckungen der Welt offenbarte, fing Galilei an, den Saturn zu beobachten. Sein Fernrohr reichte jedoch nicht aus, die Form des Ringes zu unterscheiden, der denselben umgibt. Er glaubte, die zwei Teile, die er über dem Körper des Sterns hervorragen sah, seien mit ihm verbunden, und Saturn sei dreikörperig. Er teilte diese Beobachtung in einem Anagramm mit, das Niemand verstand und über das er vom Kaiser Rudolph befragt wurde.
So schnelle und glänzende Erfolge erweckten plötzlich den Ehrgeiz und Neid der Gelehrten, die Vergötterung seiner Freunde und die Erbitterung seiner Feinde. Man machte unglückliche Versuche, neue Planeten zu entdecken, und erfolglos in denselben, meldete man längst gekannte Sterne als neue an.
Der Großherzog von Toscana, stolz auf den Professor von Padua, der seinem Erbe entsprossen war, überhäufte Galilei mit reichen Geschenken, und der König von Frankreich, Heinrich, bat ihn schriftlich, einen nächst gefundenen Stern Heinrich zu nennen.
Die Dichter besangen den himmelstürmenden Gelehrten und die Trabanten des Jupiters wurden auf Maskenbällen versinnbildet.
Diese Tatsachen zeigen den mächtigen Einfluss, den Galileis Entdeckungen auf alle Klassen der Gesellschaft übten.
Indes leugneten die Peripatetiker zornig deren Wahrheit. Sie durften freilich nur sehen, um sich zu überzeugen. Allein die Einen scheuten den Durchblick durchs Fernglas, die Anderen meinten, es seien dies nur treffliche Vorspiegelungen, die man durch solches Fernrohr empfange, und Pater Clavius sagte: »um die Trabanten des Jupiters zu sehen, müsse man erst ein Werkzeug haben, sie zu schaffen « So stritt die Unwissenheit und der Aberglaube die herrlichste Erleuchtung ab.