Lina Morgenstern

6 — Die Rückkehr in die Heimat

Berühmt geworden und in angemessenen Vermögensverhältnissen, die ihm die Ausübung seiner glänzenden Talente verschaffte, umgeben von seiner Familie (Fußnote) und ergebenen Freunden, schien Galilei für immer an die Republik Venedig gefesselt und bestimmt in Padua zu bleiben, denn nirgends konnte er so große Freiheiten sich erfreuen und solche Verehrer und Bewunderer finden, wie Sagredo und Sarpi.

Beide, Senatoren und Leiter der Republik, hingen mit Begeisterung der neuen Naturlehre an und unterstützten Galilei mit ihrem wichtigen Einfluss. Sarpi, den seine Geschichte des Rates der Dreißig berühmt gemacht hatte, war allen Wissenschaften hold und pflegte Astronomie, Algebra, Anatomie und Physik. Sagredo, derselbe den Galilei unsterblich machte, indem er ihn später in seinen Gesprächen redend einführte. Beide Männer benutzten ihre hohe Stellung, um Galilei vor jedem Angriff zu schützen und ihm das Leben zu verschönern. — Dessen ungeachtet, dass so viel Vorteile ihn in Padua umfingen und befriedigten, entstand plötzlich der Wunsch in dem großen Gelehrten nach seiner Heimat Toskana zurückzukehren. Er schrieb deshalb sn den Großherzog um eine dortige Anstellung.

Vergebens warnten seine Freunde, sein freies Leben nicht mit dem von einem Despoten abhängigen zu vertauschen.

Galilei beharrte auf seinem Entschluss. Sei es, dass er, ermüdet von den unaufhörlichen Vorträgen, teils in öffentlichen, teils in Privatvorlesungen, keine Ruhe finden konnte, seine wissenschaftlichen Arbeiten zu beenden, die er veröffentlichen wollte, sei es, um wie Andere behaupten, da er, trotz seiner großen Einkünfte , nicht hauszuhalten verstand, vom Herzog eine Mitgift für seine Schwester zu erbitten; genug, er suchte sich mit dem Fürsten zu verständigen. Vielleicht war es auch nur das Heimatgefühl, das ihn lockte, denn oft im den Ferien brachte er Monden lang in Toskana zu, war dort vom Hof jederzeit wohl empfangen und hatte sogar die Söhne des Großherzogs unterrichtet. Dieser wünschte wohl einen Mann an sich zu fesseln, den er zu unterstützen abgelehnt hatte, als er ihm notwendig war, dessen Ruhm er aber jetzt gern teilen wollte. Indes ließ ihn sein Eifer nicht allzu sehr hinreißen, denn Galilei wurde zwar den 10. Juli 1610 zum ersten Mathematiker und Philosophen des Großherzogs von Toskana ernannt, doch mit einem weit geringeren Gehalt als in Padua und weniger Vorteilen, als dich andere Professoren Pisas erfreuten.

Die Venezianer empörten sich, als sie Galileis Entschluss vernahmen, Sagredo war gerade auf einer Reise nach der Levante begriffen und schrieb bei seiner Rückkehr an Galilei nach Toskana einen Brief, in dem er ihm die Betrübnis über seine Abreise ausdrückte und zugleich Befürchtungen über dessen Zukunft ausspricht, die sich leider bald erfüllen sollten. Mit jener Vorsicht, jenem Takt, die fast alle venezianischen Aristokraten auszeichnen, ließ er seinem Freund die Unklugheit empfinden, aus einem freien Land, dessen Hüter seine besten Stützen waren, in ein tyrannisiertes zu gehen, in welchem die Jesuiten ihre Macht ausübten und ein junger schwankender Fürst an der Spitze stand. Sarpi, als denkender Politiker, ging noch weiter. Als er hörte, dass Galilei sich nach Rom begebe, um seine Gegner zu überzeugen und zu widerlegen, sagte er ihm vorher, dass die Frage von der Bewegung der Erde bald eine kirchliche werden würde und ihn in Fallstricke bringen könne, ja, dass der erste Mathematiker des Großherzogs werde zum Widerruf gezwungen werden.

Doch der Mensch entgeht seiner Bestimmung nicht. Galilei kam im September 1610 nach Florenz zurück und nahm seine Studien mit solchem Eifer auf, dass er schon nach wenigen Tagen die Phasen der Venus entdeckt hatte welche er jedoch den Astronomen nur durch ein Anagramm bekannt machte.

Bald bemerkte er auch die auffallenden Wandlungen im scheinbaren Durchmesser des Mars und im Glanz dieses Planeten. In Padua hatte er bereits die Sonnenflecken entdeckt, die er Sarpi und mehreren Gelehrten gezeigt hatte.

In Toskana verfolgte er diese Beobachtungen, und als er im Frühling 1611 in Rom war, ließ er sie einer großen Anzahl Menschen, darunter auch viele Geistliche, sehen, welche begierig waren auf die Neuigkeiten an Himmel, die noch hartnäckig von den Peripatetikern geleugnet wurden, welche noch immer den Himmel als unveränderlich annahmen.

Das allgemeine Erstaunen, welches all diese Entdeckungen in einer Zeit erregten, in der man glaubte, dass Himmel und Erde keine andere Gestalt hätten, als die, in der wir sie tagtäglich sehen, die Aufregung, die alle Besprechungen über die Bewegung der Erde hervorbrachten, und alle mit dieser Annahme entstandenen Tagesfragen erregten die Aufmerksamkeit mehrerer Geistlicher, welche fürchteten, dass die Lehrsätze Galileis der Kirche gefahrbringend seien. Der Kardinal Bellarmin wandte sich an vier Jesuiten, unter ihnen der Astronom Clavius, um ihre Meinung über diese Entdeckungen zu hören. Ihre Antwort ward veröffentlicht und bewies, dass sie den Ansichten Galileis nicht entgegen waren. Bald kehrte Galilei ruhmbedeckt nach Toskana zurück.

Er hatte in Rom unter seinen begeisterten Freunden und Bewunderern einen mächtigen Verein gegründet, die Akademie der Linceis [Accademia Nazionale dei Lincei], welche sich zum Ziel einen unbegrenzten Fortschritt in allen Zweigen des Wissens gestellt hatte und die Galilei zum Anführer wählte; aber er ließ dort auch Feinde und Neider und bei den Häuptern der Kirche ein dumpfes Misstrauen zurück, das sich noch verbarg, aber im Stillen fortkeimte, um bald riesengroß zu werden und in offene Verfolgung und Marter zu enden.

Wahrscheinlich ist es, dass er bei seiner Rückkehr nach Rom das Mikroskop entdeckte. Dieses interessante und so wichtige Instrument, dass jetzt fast allen Wissenschaften unentbehrlich ist, wurde gleichfalls von späteren Zeugen dem Zacharias Johann von Middelburg zuerkannt, und Drebbel behauptete, es in England 1619 als etwas ganz Neues gesehen zu haben. Dennoch hat es bereits Galilei sieben Jahre früher konstruiert und nach Viviani 1612 dem König von Polen, Sigismund, zum Geschenk gemacht. Schriftliche Zeugnisse bekräftigen dieses Datum, und Aufsätze aus demselben Jahr zeigen, dass Anderen bereits das, von Galilei erfundene, Mikroskop bekannt war. Er vervollkommnete es jedoch erst im Jahr 1624, um ihm die Gestalt zu geben, die es lange Zeit behalten hat.


Fußnoten

  1. Er war mit einer venezianischen Edeldame verbunden, ohne mit ihr verheiratet zu sein. Es wird weiter unten dieser Verbindung eingehender gedacht. Zurück

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