Lina Morgenstern

7 — Die ersten Verfolgungen

Die Ruhe, die Galilei in Toskana für seine Studien gesucht hatte, fand er jedoch nicht. Er ward fortwährend von seinen Arbeiten zurückgehalten. Der Großherzog liebte es, die Gelehrten um sich zu vereinen und sie reden zu hören.

In einer dieser Versammlungen stellten die Peripatetiker die Behauptung auf, dass die Gestalt eines Körpers ins Wasser gebracht, bedeutenden Einfluss auf seine Fähigkeit habe, oben auf zu schwimmen.

Galilei, der sich schon in der Jugend mit den schwimmenden Körpern beschäftigt hatte, hielt die entgegengesetzte Meinung aufrecht, und so hatte dieser Streit eine Arbeit zur Folge mit dem Titel: »Streit über die Dinge, die auf der Oberfläche des Wassers schwimmen, oder sich im Wasser senken.«

Dieses Buch, das die erbittertsten und ungerechtesten Kritiken aushielt, entwickelte nicht nur die wahre Theorie der Gleichgewichtslehre der schwimmenden Körper, sondern als Antwort seinen Gegnern auch eine Menge der interessantesten Tatsachen, die er beobachtet und nach den Prinzipien der Naturlehre erklärt hatte, Lagrange äußerte später, dass dies Werk die Grundlage der Hydrostatik (Wasserstandlehre) enthalte.

Galilei antwortete den zahlreichen Angriffen seiner Gegner nicht. Dagegen übernahm es sein Schüler und Freund Castelli, der sich eine verdienstvolle Berühmtheit durch sein Werk über Hydraulik erworben hat, eine Widerlegung der Widersacher zu veröffentlichen, die wahrscheinlich von Galilei durchgesehen ward, aber in der sein Name nicht erwähnt wurde.

Dieser Polemik ungeachtet, setzte er seine astronomischen Arbeiten fort. Schon in dem Werkchen über die schwimmenden Körper hatte er die Entdeckung der Sonnenflecken eingeräumt, von denen er die Umdrehung dieses Sterns um die eigene Achse ableitete, ebenso, wie die Phasen der Venus und die Zeit, welche die Satelliten des Jupiters bedürfen, um die Kreise zu durchlaufen, welche sie um diesen Planeten beschreiben.

Aber auch die Entdeckung der sonnenflecken sollte ihm nicht unbestritten bleiben. Der Jesuit Schreiner maßte sich ihre Entdeckung in drei Briefen an Mark Belser an. Galilei schenkte der Akademie von Lincei seine Geschichte der Sonnenflecken, die jedoch, zurückgehalten von den Zensoren, erst 1613 erschien. In der Vorrede zu derselben bestätigen die Lincäer das Vorrecht von Galilei, der schon 1610 die Sonnenflecken Vielen hatte sehen lassen. Das Werk des toskanischen Professors unterschied sich übrigens wesentlich von der Ansicht über die Ursachen der Sonnenflecken, von denen der Jesuit Schreiner, der nach der alten Schule annahm, dass die Sonne ein fester, harter Körper sei, und die erscheinenden Sonnenflecken Sterne, welche diesen umstrichen, während Galilei sie auf den physischen Bau der Sonne, der Bewegung derselben um ihre eigene Achse zuschrieb, sich jedoch jeder Erklärung dieser, auch bis heute nicht erhellten Naturerscheinung enthielt.

Der schnelle Flug, den Galilei zu solch erhabener Wahrheit nahm, sollte bald von seinen Feinden auf die entsetzlichste Weise gehemmt werden.

Da sie ihm mit wissenschaftlichen Argumenten nicht beikommen konnten, nahmen sie ihre Zuflucht zu den Schrecken der katholischen Kirche,

Schon lange war es bekannt, dass Galilei die Bewegung der Erde annahm, obwohl er noch nichts darüber hatte drucken lassen.

So lange die Frage in Zweifel gestellt war, glaubte die Kirche, sich nicht hineinmischen zu dürfen, und obgleich sie im Allgemeinen die entgegengesetzte Meinung vertrat, hatte der Papst dem Kardinal Cusa erlaubt, die Bewegung der erde anzunehmen, und dem Kopernikus, seine Theorie in einem Werk zu veröffentlichen, dessen Widmung er selbst annahm, dennoch stieß das Publikum diese glänzende Lehre von sich, und hielt an dem biblischen Wort: »Du hast sie fest begründet!«

Da nun diese allgemeine Unwissenheit Galilei veranlasste, sich von dem lauten Bekenntnis zu Kopernikus' Lehre zurückzuhalten, hatte die Kirche noch keinen ernsten Grund, seine Versuche zu hintertreiben.

Aber als endlich der große Gelehrte sich gewöhnt hatte, die öffentliche Meinung durch seine Liebe, seinen Genius, seinen Mut zu bilden, und seine erfolge ihm der Beifall aller tüchtigen Männer verschafft hatte, sah er sich gezwungen, das große Wort auszusprechen, welches bei seinem Einfluss die Systeme des Ptolemäus und Aristoteles zugleich erschütterten. Dadurch beschwor er den Sturm herauf, den die in ihren Grundfesten erbebende Kirche gegen ihn aufwühlte. Bei allen Angriffen, die Galilei in Rom von den Jesuiten während seines Aufenthalts in Padua zu dulden gehabt hatte, wurde er von der venezianischen Regierung unterstützt. Anders war es in Toskana, eo die Medicäer, dem Papst und der Geistlichkeit unterworfen, schon oft ihre Interessen und Freunde den Ansprüchen der römischen Kirche geopfert hatten.

Cosmus II. achtete unbedingt Galilei hoch, allein, er war zu schwach, charakterlos und schwankend, um ihn gegen äußere angriffe einer solchen Macht zu schützen. So lange er jedoch lebte, hatte der Philosoph nichts ernstes zu befürchten; aber nach seinem Tod, während der Regierung Christinens von Lothringen und Ferdinand II. sollte Galilei die entsetzlichen Qualen erdulden, ohne dass ihm von der toskanischen Regierung ein anderer Schutz geworden wäre, als Bitten und machtloses Fürwort.

Bisher waren die feindlichen Schritte der Jesuiten immer vereinzelt geblieben, ja wir sagten, dass Glieder der Gesellschaft Jesu die Astronomie Galileis verteidigten.

Die römische Kirche konnte jedoch diese Neuerung nicht vertragen, sie zögerte indes, eine Entscheidung zu treffen, wo es sich nur um mathematische Dinge handelte; dennoch wurde sie bald von den fanatischen Anhängern der alten Philosophie zur Tat hingerissen, da diese zugleich die treusten und festesten Stützen der katholischen Kirche waren. Die ersten Verfolgungen gingen auch von diesen wissenschaftlichen Gegnern, und zwar vom denem in Toskana, aus.

Der Erzbischof von Florenz, Marsimedici, der Bischof Gheradini und d'Elci, Obervorsteher der Universität zu Pisa, waren die Urheber der anklage gegen Galilei.

Zwar übernahmen die Pater Foscarini, Castelli und Monsignore Ciampoli seine Verteidigung, und dem Kardianl Conti war es nach seiner Erklärung völlig gleichgültig, ob dieses System der Bewegung der Erde, oder das von Ptolemäus herrschend werden würde, allein die Dominikaner erhoben um so mehr ihre heftigen Stimmen gegen ihn.

Der Pater Caccini predigte öffentlich gegen den großen Astronomen, und seine Rede, deren Resultat Beweis liefern sollte, dass die Geometrie eine teuflische Kunst sei und man alle Mathematiker aus allen Staaten, als Urheber der Ketzerei verbannen müsste, begann mit den Worten des Evangeliums: »Ihr Männer von Galilei, was sucht Ihr und blickt gen Himmel?« Hieraus geht hervor, dass die Unwissenheit dieser Altgläubigen so groß als ihr Fanatismus war.

Immer kam man darauf zurück, das Wort der heiligen Schrift zu wieder holen, »er befahl der Sonne, still zu stehen.«

Galilei antwortete seinen Gegnern, ohne sie zu schonen. In den Briefen an seine Freunde, welche, wie Alles von seiner Hand, schnelle Verbreitung fanden, sprach er besonders sich scharf darüber aus, die heilige Schrift sei gerade von denen so wenig verstanden, die sich zum Richter über sein System machen wollten.

Nichts war jedoch gefährlicher, als in religiösen Fragen zu damaliger Zeit die Wahrheit zu erkennen und auszusprechen, und so beurteilte die katholische Kirche kein Werk Galileis so streng, als seinen Brief an Christine von Lothringen 1615, in dem er hauptsächlich die theologische Seite der Streitfrage auf deren Wunsch besprochen hatte. Dieser Brief, der erst lange Zeit nachher im Druck erschien, war ein Meisterwerk der Dialektik und konnte nur mit den Briefen Pascals verglichen werden, die mehrere Jahre darauf andere Theologen bestürzt machten.

Der Hof von Rom folgte aufmerksam allen Schritten Galileis und umgarnte ihn immer mehr mit seinen Fallstricken. Am meisten wollte die päpstliche Kurie verhindern, dass Galileis Auslegung der heiligen Schrift in die Hand der Weltgeistlichen käme, unter denen es genug gab, welche der Meinung von der Bewegung der Erde huldigten, die aber das Recht auf Bibelauslegung nur für den geistlichen Stand beanspruchten.

Endlich sprach der einflussreiche Jesuitenkardinal Belarmin aus, dass Kopernikus' Lehre dem Glauben gefährlich sei.

Dies ließ Galilei glauben, man werde dieselben verdammen, und so nahm er Veranlassung, ungeachtet der Warnungen seiner Freunde, nach Rom zu gehen, sie zu verteidigen.

Bei seiner Ankunft in Rom fand er jedoch seine Stellung gefährdeter als er vorausgesetzt hatte. In einem Brief an Pecchena, den Sekretär des Großherzogs, erwähnte er, dass die abscheulichsten Verleumdungen gegen ihn ausgestreut seien, und dass es schwer werden würde, nicht in einen der ihm von allen Seiten gelegten Fallstrick zu fallen, dass er aber hoffe sie zu vernichten.

Doch sollte seine Hoffnung sich nicht erfüllen.

Trotz der glänzendsten Zusicherungen verließen ihn die befreundeten, ihn beschützenden Kardinäle einer nach dem andern. Die Mönche, die ihm schon in Toskana auf dem Lehrstuhl angegriffen hatten, kamen nach Rom, um ihr Werk zu vollenden und ihn »geheim« bei der Inquisition anzuklagen.

Der Pater Caccini namentlich arbeitet im Stollen an Galileis Sturz und Verdammnis, während er in einer Unterredung, die er mit ihm hatte, sich entschuldigte und ihm heuchlerischer Weise Versöhnung antrug.

Unterstützt vom Prinzen Cési und den Lincäern, suchte Galilei in Vorträgen und Schriften die Wahrheit des kopernikanischen Systems zu beweisen, allein der Eifer, den er dabei an den Tag legte, schadte ihm.

In unerwarteter Freund, der Kardinal Orsini, wagte es, beim Papst sich für den mutigen Astronomen zu verwenden, allein er wurde kalt empfangen und man gebot ihm Stillschweigen.

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