9 — Erneuter Kampf mit den Jesuiten
Galilei erneuerte, in Pisa angekommen, seine schon früher,1612, dem König von Spanien gemachten Vorschläge, mit Hilfe der Jupitertrabanten die Längen im Ozean zu bestimmen. Aber nach so langjährigen Unterhandlungen überzeugte er sich, dass man nicht einmal seine Methode verstanden habe. Dieselbe Erfolglosigkeit seiner Bestrebungen, Die Schifffahrtskunst durch seine Erfahrungen praktisch zu verbessern, fand er in seinen Vorschlägen an Holland, wo sie erst nach zwanzig Jahren angenommen wurden.
So waren die Prophezeiungen Sagredos zur Wahrheit geworden, und statt in Toskana sich mit Ruhe seinen Studien widmen zu können, erlebte der alternde Philosoph alle Bitterkeiten, die der Hass und der Neid nur bereiten können. Auch sah er sich dadurch immer mehr veranlasst, seine Schriften und neuen Arbeiten nicht zu veröffentlichen, sondern sie nur seinen Freunden und Schülern mitzuteilen, die sie dennoch schnell in Europa verbreiteten.
Die Erscheinung dreier Kometen 1618 konnten nicht verfehlen, den großen Geist zu neuen Beobachtungen und Betrachtungen anzuregen; allein da er zur selben Zeit leidend war, wollte er sich nicht neuen Feindseligkeiten aussetzen, und begnügte sich, seine Ansichten verschiedenen Männern, unter Anderen dem Konsul der Akademie, Guidacci, mitzuteilen.
Letzterer schrieb eine Abhandlung über die Kometen, in der er einen einflussreichen Jesuiten Grassi kritisierte, der über denselben Gegenstand geschrieben hatte, ohne Galilei die von ihm gemachten astronomischen Entdeckungen zuzugestehen. Diese erneuten Angriffe gegen die Jesuiten ließen mit Recht Galileis Freunde erzittern. Grassi antwortete auf diese Abhandlung und suchte den Meister hinter dem Schüler.
Obgleich Galilei krank war, schrieb er dagegen als Entgegnung den Saggiatore, welcher nach den Regeln der Lincei'schen Akademie in Rom gedruckt wurde. Grassi, auf das Lebhafteste beschämt, antwortete von Neuem, und da er es mit einem Gegner zu tun hatte, der seines Gleichen in der Beredsamkeit und wissenschaftlichen Polemik nicht hatte, suchte er sich dadurch zu rächen, dass er die Feinde Galileis aufstachelte und zu vermehren suchte.
Der Saggiatore ist kein dogmatisches Werk, es ist eine, mit bewundernswertem Talent geführte Streitschrift und das beste Buch der Philosophie.
Die Jesuiten, deren Erbitterung gegen den unübertrefflichen Meister immer mehr zunahm, wollten, dass man dieses Werk, wegen einer darin vorkommenden Bibelauslegung verniete, aber es gelang ihnen nicht.
Das durch solche Umstände veranlasste Werk zeigt ebenso den tiefen Denker, den großen Schriftsteller, wie den geistreichen Mann. Es ist von den wichtigsten Beobachtungen auf dem Gebiet der Physik erfüllt: es enthält Doktrinen, die man später Descartes beilegte die jedoch nur Galilei gehören.
Der Saggiatore erschien, durch Galileis Krankheit verzögert, erst 1623, als die Kardinäle eben Barberini zum Papst erwählten, der den Namen Urban VIII. führte. Drei Jahre vorher hatte Barberini ein lateinisches Lobgedicht auf Galilei gemacht, dem er sich auch immer freundlich bezeigt hatte. Seine Erwählung, zu Gunsten des Gelehrten benutzend, widmete ihm die Akademie den Saggiatore und Galilei beeilte sich, nach Rom zu gehen, um das neue Oberhaupt der Christenheit zu beglückwünschen.
Urban empfing in aufs Beste, ließ ihn zum Fußkuss zu, machte ihm reiche Geschenke und versprach ihm für seinen Sohn eine Pension, die jedoch lange auf sich warten ließ.
Als Galilei nach Florenz zurückkam, gab ihm der Papst ein Breve an den Großherzog von Toskana mit, welches große Lobeserhebungen über die Talente, das Wissen und die Frömmigkeit des toskanischen Philosophen enthielt, mir dem er mehrere genussreiche Unterredungen gehabt habe.
Dabei hatte Galilei auch bei diesem Aufenthalt in Rom keineswegs seinen unerschütterlichen Mut verleugnet, und in einem langen Brief an Ingoli die Bewegung der Erde als erwiesen mitgeteilt. Er gestand auch, dass seine Reise noch einen anderen Zweck gehabt, als die Begrüßung des Papstes. Er hatte nämlich, trotz des Verbotes seines Systems, nicht aufgehört, an einem Werk zu arbeiten, in dem er die Bewegung der Erde abhandelte. Die Erwählung Barberinis erfüllte ihn mit neuen Hoffnungen. Er hatte deshalb nicht unterlassen, mit ihm selbst über das in ihm wurzelnde Thema zu sprechen und ihn zu überzeugen, dass siese Ansicht keine Ketzerei sei. Man machte ihm die Hoffnung, dass das Verbot aufgehoben würde, aber es blieb beim Alten.
Bei seiner Rückkehr nach Florenz arbeitete er eifrig an Vollendung eines neuen Werks, machte jedoch, um sich die Gunst der Kardinäle zu erhalten, noch zweimal Reisen nach Rom, 1628 und 1630; bei diesem letzten Aufenthalt übergab er der Zensur seine »Gespräche über die beiden Weltsysteme«. Dies ist der Titel des eben beendeten Werkes, das ohne Umstände von der Akademie der Lincäer wäre gedruckt worden, wenn nicht durch den Tod des Grafen Cesi die Gesellschaft sich aufgelöst hätte.
Das Manuskript wurde von dem Oberzensor des heiligen Stuhls und mehreren Zensoren geprüft und der Text an mehreren Stellen geändert. Man sagt sogar, der Papst selbst habe es mit redigiert. Endlich wurde das Werk erlaubt und der Druck bewilligt. Da jedoch in Toskana eine pestartige Krankheit herrschte, hatte der Papst einen Gürtel um die Grenzen seines Landes ziehen lassen, und jeder Reisende musste sich einer vierzehntägigen Quarantäne unterwerfen. Da nun Galilei, der ohnedies krank war, nicht reisen konnte, erhielt er vom Papst die Erlaubnis, die Gespräche in Florenz drucken zu lassen, wo sie auch 1683 erschienen, nachdem sie aufs Neue durch verschiedene Zensoren und dem Großinquisitor von Florenz waren gebilligt und die Erlaubnis zum Druck bestätigt worden.
Wir sehen bei dieser Gelegenheit, welch unwissenden Händen die Zensur anvertraut war, deren Geist nicht bis zum Verständnis des zu beurteilenden Buchs reichte, und die es billigten, ohne darin die ihrem Glaubensbekenntnis verderblichen Lehren erkannt zu haben.
Die Unterhaltenden dieser Gespräche, die in vier Teile (Tage) eingeteilt waren, ließ Galilei seine beiden Freunde Sagredo und Salviati sein, denen er im Simplicius eine dritte redende Person zugesellte und entgegenstellte. Den beiden genannten Freunden hatte der geistreiche Denker mit vielen Bezeichnungen einen Denkstein der Freundschaft gesetzt. Beide waren beim Erscheinen des Buches schon tot.
Sagredo und Salviati ließ er aufs Vernünftigste disputieren, sie schienen ihren schwachen Gegner zu unterdrücken, dennoch, trotz ihrer unbezweifelten Überlegenheit, gaben sie zuletzt nach.
Dieses überraschende Resultat erfüllt den Leser mit Bewunderung und lässt ihn eine geheimnisvolle und unwiderstehliche Macht ahnen, die selbst der Logik un den Vernunftgründen gebietet. In alle dem lag eine wunderbare Kunst und Feinheit, und es ist zu bewundern, dass die darunter verborgene Absicht in Sagredo und Salviati die gesunde Naturphilosophie, in Simplicius die materielle Übermacht der Kirche, den Zensoren entging. Diese Gespräche enthielten nicht nur die Prüfung der beiden Weltsysteme, sondern alle seine bisher gemachten Beobachtungen und Erfahrungen, aus denen er neue Konsequenzen zog. Sie enthielten eine triumphierende Kritik aller alten naturphilosophischen Systeme.
Daher darf man nicht über den allgemeinen und mächtigen Eindruck erstaunen, den jenes Werk auf alle Klassen der Gesellschaft hervorbrachte — und wie sehr es den Zorn der Peripatetiker von Neuem heraufbeschwor. Die berühmtesten Männer beeilten sich, Galilei für sein Werk zu beglückwünschen, das so viel Gegenschriften veranlasste und zum Weltgespräch wurde.
Solche Lobeserhebung verwirrte die Jesuiten und Mönche noch mehr und sie beeilten sich, die römische Kurie auf die Gefahren dieses Buchs für die Kirche aufmerksam zu machen.
Weit entfernt, den Irrtum einzusehen und den Gelehrten die Entscheidung dieser Fragen zu überlassen, bestanden sie darauf, dass die Kirche sich hineinmischen müsse. So gaben sie selbst die Würde der Kirche preis, indem sie dieselbe zur Vertreterin eines Irrtums machten, gegenüber einem unangreifbaren und bewiesenen System.